Es war das emotionalste, großartigste und bewegendste Silvester ever!
Ich habe so eine Leichtigkeit gemeinsam mit gefühlten Millionen Menschen noch nie erlebt!
Aber mal der Reihe nach.
Mein Jetlag plagt mich noch etwas. Deshalb hatte ich nach einem kurzen Einkaufsbummel am Vormittag in einem riesigen Einkaufzentrum am Bahnhof Bondi Junction, dass gefühlt mindestens doppelt so groß wie das Bräuningerland in Ludwigsburg ist, noch zwei Stunden Mittagsschlaf gehalten und bin dann gegen 16:20 Uhr aufgebrezelt los in Richtung Zentrum. Dieses „Aufgebrezelt“ ist übrigens nicht so ganz richtig. Zum langen Abendkleid gabs bei mir Badelatschen – zumindest für den Weg. Das machen übrigens hier viele Australierinnen so. Abendrobe mit Hawaiianas und Pumps in der Hand. 😉 Noch nie im Leben habe ich Silvester in so einer Wärmeverbracht.
Eigentlich kannte ich den Weg zur Oper, hab mich aber von anderen schicken Leuten animieren lassen, im Strom mitzuschwimmen. Dadurch gabs natürlich einige Umwege. Aber kein Problem, in der Innenstadt war alles für den Verkehr gesperrt und es gab tausende freundliche Volontiers – Sydney kennt sich ja damit gut aus. Auch zu Olympia 2000 waren dort die freundlichsten Volontiers in riesigen Mengen, die alle einen tollen Job gemacht haben. Auch gab es extra für den New Years Eve gedruckte Flyer, die Hinweise für das Verhalten gaben, Infos zum Öffentlichen Verkehr und entsprechende Karten.
Der erste Volontier entgegnete mir sofort, als ich ihn nach dem Weg zur Oper fragte: „Der ist gesperrt!“ Was? Ich habe aber ein Ticket! „Oh, wirklich? Ein Ticket für die Opera?“ Und schon erklärte er mir das Procedere.
Meine Umwege hatten auch den Vorteil, dass ich viel von der wundervollen Stimmung in der Stadt mitbekam. An jeder Ecke spielten und tanzten Gruppen aus allen Ländern der Welt, die Leute schlenderten fröhlich – es fühlte sich alles sehr leicht und beschwingt an. Ein Gefühl, was ich an diesem Abend noch öfter bekam.
Vielleicht einen Kilometer vor der Oper war erst mal Anstellen angesagt, nachdem ich aber schon mindestens drei Mal mein Ticket zeigen musste, um überhaupt bis dahin in diesen „Sperrbezirk“ zu kommen. Nach ca. 300 m Schlange gabs eine Taschenkontrolle, komplett. Meine Wasserflasche musste ich austrinken, sonst war alles ok. Auch die Kamera war kein Problem. Davor hatte ich etwas Bedenken.
Insgesamt haben die das hier mit den ganzen Kontrollen und Sperrungen außerordentlich gut im Griff. Alles geht zügig, ruhig und mit einer wunderbaren Gelassenheit. Die Australier haben eine tolle Art, sich mit einer umwerfenden Freundlichkeit durchzusetzen.
Dann erwarteten mich Menschenmassen am Kai, auf den Treppen, auf allen Flächen vor der Oper – gefühlte Millionen waren heiß auf den besten Platz beim Feuerwerk. Ich war so gegen 18:00 Uhr an der Oper, hatte noch viel Zeit und genehmigte mir ein Weinchen – übrigens das einzige alkoholische Getränk an diesem Abend 😉
Die Terrassen waren noch relativ leer, ich genoss die Zeit. Die Leute hier machen gegenseitig Fotos und neben mir machte eine junge Frau Fotos von einem Ehepaar – die konnte das Fotografieren! Das habe ich gleich ausgenutzt und habe mich auch von ihr fotografieren lassen. Ansonsten bin meist ich diejenige, die die Leute fotografiert. 😉 Sobald die meine große Cam sehen, glauben sie, dass ichs kann. Und sind gewöhnlich auch überschwänglich begeistert. 😉

7:45 PM gings dann los in der Opera. Der Hauptsaal ist schon allein beeindruckend! Ich war überwältigt!
Das Konzert wurde moderiert und der Herr brachte das Publikum ständig zum Lachen. Wenn ich mich recht erinnere, waren Gäste aus 48 Nationen im Konzert. Für mich war die Begeisterung der Australier faszinierend. Sie feierten die Sänger, das Orchester und den Dirigenten nach jedem Stück frenetisch. Und die Sänger agierten mit sehr viel Witz und Charme.

Ich war wirklich drin! 😉
Nach einer Stunde dann Pause zum Familienfeuerwerk um 9 PM.
Schon das war toll. Zwar war die Brücke nur wenig eingebunden, aber das Höhenfeuerwerk „daneben“ war toll. Allerdings stand ich mitten in den Massen und sah nicht so sehr viele Details im unteren Bereich.
Der zweite Teil des Konzerts wurde dann noch einmal hochemotional. Zum einen lästerte der Moderator noch immer über Trump und amüsierte damit das Publikum köstlich, ebenso mit seinen Witzen. Leider verstand ich nur einen Teil davon.
Plötzlich fiel ein großes Tuch wie ein Vorhang über dem Orchester herunter und zu Meditation von „Thais“ projizierte man Momente des Gedenkens. Unter anderem das Andenken an Verstorbene in 2016 von David Bowie über Leonhard Cohen bis zu George Michael, aber auch zu politisch wichtigen Dingen und Terror und Krieg. Unter anderem kam auch ein Bild von Berlin. Das war Gänsehaut pur!
Zum Ende hin wurde es sehr fröhlich. Roter Flitterregen und tausende Papierschlangen – von jedem Besucher geworfen – brachten das Orchester sogar an den Rand der Spielbarkeit. Mit dem Can-Can erreichte alles den Höhepunkt der Fröhlichkeit. Und beim „God safe the Queen“ sangen alle kräftig mit.


Kokettieren des Dirigenten: Nachdem er ein Glas Champagner erhielt, gab er es zurück – forderte aber gleich die ganze Flasche – der Saal tobte. Die Flasche stellte er aber auch sehr schnell wieder weg. 😉
So ein emotionales Erlebnis in einem Theater hatte ich bisher selten im Leben. Da war sie wieder, diese australische Leichtigkeit. Ich genoss das Ende noch und stromerte durch den ganzen Saal. Das liebe ich ja sehr, Theater aus allen Perspektiven anzuschauen.
Draußen war schon alles voll. Was mache ich nur mit dem Feuerwerk? Von drinnen gibt es gute Blicke, aber da fehlt halt das Feeling und die Musik. Wer mich aber kennt, der weiß, dass ich einen Weg finde – schließlich hatte ich noch über eine ganze Stunde Zeit.
Beim meinem vorsichtigen Vorschlängeln dann die Frage in Deutsch, wo ich hinwollte. Es entspann sich ein witziges Gespräch. Ich sehe nichts, weil alle ja so groß sind – ein entwaffnendes Argument 😉
„Ach, wir dachten Sie suchen jemanden.“ – Ja, ich suche etwas! „Ja, sicher die erste Reihe! Dann versuchen Sie mal Ihr Glück!“ – und sie ließen mich vor. Ein paar unendlich lange Italiener hatten wohl auch „Mitleid“ mit mir – und schon stand ich in der zweiten Reihe. Vor mir zwei deutsche Mädels, die sich ein breites Stück Reeling gesichert hatten und locker noch einen dritten mit reinlassen konnten. Eine halbe Stunde vorm Feuerwerk sprach ich sie an, ob ich denn zum Feuerwerk eventuell…. Zickigkeit ließ grüßen! Warum musste ich ausgerechnet an zwei schickimicki-Mädels geraten? Dann die hinterhältige Frage, ob ich auch in der Oper war. Klar, tolles Erlebnis, grandios! Und wie fandet Ihr das? „Wir hatten auch Karten, sind aber nicht reingegangen, um extra diesen Platz hier zu haben.“ Wumm! Okay, verstehen konnte ichs, dass sie ihren Platz verteidigten, aber wie kann man denn so was machen? Mindestens 200 Euro für die Karte zahlen, aber eher sehr viel mehr und dann mit zwei Flaschen Wein, wo eine mindestens 80 Euro kostete, stundenlang an der Reeling stehen? Irgendwie machten die zwei den Eindruck, von Beruf Tochter zu sein. Australien sponsored by Papa, koste es was es wolle. „Na wir werden schon was hinkriegen“, war dann das gnädige Ende des Gesprächs.
Und wir bekamen das hin, zumal der kleine Japaner daneben eh seiner Freundin das Fotografieren/Filmen überließ und schräg hinter hier stand – extra für mich, hatte ich den Eindruck;-)
Das Feuerwerk war grandios. Der Abschluss vor allem. Alles war hell erleuchtet. Von der Brücke hing ein Riesenvorhang Feuerwerk bis ins Wasser, Fontänen von der Brücke, Höhenraketen, links und rechts von der Brücke ein grandioses Höhenfeuerwerk und über der Oper ebenso. Man wusste kaum, wohin man schauen soll. Und ich stand am allerbesten Standort von Sydney in der ersten Reihe! 😉


Riesenbeifall, Bravorufe, das Feuerwerk wurde ebenso enthusiastisch gefeiert, wie schon vorher die Gala.
Danach setzten sich die Millionen wieder in die andere Richtung in Bewegung. Die Ordnungskräfte hatten alle Sperren geöffnet, sodass alles superoffen, geordnet und schnell abfloss. Die Bahnstation nahe der Oper hatte ja geschlossen. Darauf verwies ein Volontier mit Megafon. Mittenrein rief er „Happy New Year“ den Massen zu und es antwortete ein Riesenchor, der sich in einer Breite über eine vierspurige Straße und zwei Gehwege zog, lautstark mit Rufen und Klatschen und Jubeln – es war immer noch diese tolle, einzigartige und fröhliche Stimmung.
Ab Martin Place fuhren die Züge im Minutentakt. Es ist unglaublich, wie Sydney diese Massen so entspannt bewältigt. Aber es ist sicher auch ein jahrelanges Training – the same Procedere every Year.
Ich war kurz nach 1 schon in Bondi Junction, musste dann jedoch das Taxi nehmen, da die Busse sehr unsicher waren, vor allem auf meiner Linie, wie ich gestern Abend erfahren musste. Halb 2 fiel ich todmüde ins Bett, konnte endlich wieder mein Telefon laden und einige Grüße versenden und schlief ein. Allerdings war die Nacht sehr unruhig. Der Jetlag und sicher auch die Emotionen wallten und arbeiteten im Unterbewusstsein.
Es war das grandioseste Silvester bisher in meinem Leben. Ich glaube kaum, dass das noch einmal getoppt werden kann. Und ich bin soooo froh, dass ich meine Planung so darauf eingerichtet hatte. Es hat sich alles überaus gelohnt – sowohl die verpasste Chance, auch zu Hause ein schönes Silvester feiern zu können als auch die doch nicht ganz preiswerten Tickets für den SYDney New Years Eve.